Filmfestspiele ohne Stars – dafür mit Nazi-Skandalfilmen?
Sind die Filmfestspiele von Venedig in diesem Jahr ein Flop? Sind es Filmfestspiele ohne Stars?
Wegen des Hollywood-Streiks reisten fast keine US-Stars nach Italien. Nur Adam Driver stellte seinen Film Ferrari vor – bekannt wurde er als „Kylo Ren“ in der neuen Star Wars-Trilogie. Driver betonte: „Ich bin hier, um die Streikenden zu unterstützen.“ Gemeint sind Drehbuchautor:innen und Schauspieler:innen, die derzeit höhere Bezahlung und bessere Rechte fordern.
Auch die Jury erklärte ihre Solidarität und trat in T-Shirts mit der Aufschrift Writers Guild on Strike auf. Filmfestspiele ohne Stars also? Vielleicht. Aber dafür mit Filmen, die für Skandale sorgen.
Skandalträchtige Filme mit NS-Thematik
Schon der Eröffnungsfilm Comandante rief Kontroversen hervor. Eigentlich sollte Zendaya mit dem US-Film Challengers das Festival eröffnen, doch der Verleih zog diesen kurzfristig zurück. Stattdessen lief nun ein italienischer Film über einen U-Boot-Kapitän, der während des Zweiten Weltkriegs Belgier rettet. Ein Werk, das Kritiker als pathetisch, humorvoll – aber auch als unterschwellige Nazi-Propaganda einstuften.

Auf dem roten Teppich herrschte in diesem Jahr wenig Glanz. Neben lokalen Berühmtheiten war nur das deutsche Model Toni Garrn zu sehen. Ein weiterer Moment von Bedeutung: die britische Schauspielerin Charlotte Rampling überreichte einem italienischen Regisseur einen Preis, der einst für einen der Skandal-Filme des 20. Jahrhunderts verantwortlich zeichnete: The Night Porter.
Der Film erzählte von der pervertierten Beziehung zwischen einer Holocaust-Überlebenden und ihrem ehemaligen SS-Peiniger. Berühmt-berüchtigt ist eine Szene, in der Rampling mit SS-Kappe ein Lied von Marlene Dietrich für alte Nazis singt – ein Lied, das auch zu den Favoriten Hitlers gehörte. Viele Kritiker nannten den Film „politischen Porno“ oder „billige Provokation“. Regisseurin Liliana Cavani verteidigte ihn hingegen als Kunst, die die psychologischen Nachwirkungen des Faschismus untersuche.
1974 wurde das Werk in Italien verboten und die Kopien vernichtet – inzwischen ist es wieder auf DVD und Blu-ray verfügbar.
Widerstand gegen die Cancel Culture?
Ein Festival ohne Stars? Die Organisatoren setzen stattdessen auf kontroverse Namen: Woody Allen (Manhattan, Annie Hall), Roman Polanski (Rosemary’s Baby, Chinatown) und Luc Besson (Nikita, The Fifth Element) – allesamt Regisseure, die wegen Beziehungen zu Minderjährigen oder besser gesagt Missbrauchsvorwürfen in der Kritik standen. Besson etwa lernte seine spätere Partnerin Maïwenn Besco kennen, als sie 15 war und er 32. Kürzlich wurde er vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen. Eine Schweizer Zeitung spottete über das Programm als „Gipfel der Ausgestoßenen“ und lobte die Italiener zugleich halb ironisch für ihre Resistenz gegenüber der Cancel Culture.
Abseits der Skandale – die Filme
Doch auch das übrige Programm bot Stoff:
- Priscilla von Sofia Coppola erzählt die wahre Geschichte von Elvis Presleys (gespielt von Jacob Elordi) Frau (Cailee Spaeny) und blickt in die 1960er-Jahre voller Leidenschaft und Exzess.
- Poor Things von Yorgos Lanthimos ist eine bizarre Komödie à la Frankenstein mit Emma Stone.
- Ferrari von Michael Mann schildert den Aufstieg Enzo Ferraris (Hugh Jackman) und den Konkurrenzkampf mit Maserati (Noomi Rapace).

- Enea ist eine italienische Liebesgeschichte zwischen einem jungen Mann und einer älteren Frau – eine Hommage an Fellini und die Komödien der 1970er.
- Maestro, das Regiedebüt von Bradley Cooper, zeichnet das Leben des Komponisten Leonard Bernstein nach – mit Schwerpunkt auf seiner Ehe mit Felicia Montealegre (Carey Mulligan).

Ein italienisches Äquivalent zu den Oscars?
Die Filmfestspiele sind Teil der Biennale von Venedig, die im Zweijahresrhythmus verschiedenste Kunstformen präsentiert: Architektur, Tanz, Musik, Theater, Bildende Kunst. Am 9. September wird der Goldene Löwe für den besten Film verliehen.
Ob es wirklich Filmfestspiele ohne Stars waren? Vielleicht fehlte der Glamour Hollywoods, doch dafür standen Kontroversen, Skandale und große Filmkunst im Mittelpunkt – und bestätigten einmal mehr den besonderen Charakter von Venedig als Schaubühne zwischen Politik, Kunst und Provokation.
Header image: A scene from the movie ‚The Night Porter‘ (The Night Porter/17 U.S.C. § 107 “Fair Use”)
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